Es braucht linke Kritik an den Massnahmen, den Erweiterungen der IGV und dem Pandemievertrag!
Während einige linke Massnahmenbefürworter:innen sich im anbrechenden Zeitalter des Sozialismus wähnten und viele in fast totaler Harmonie mit den Regierungsanordnungen für den Schutz der Vulnerablen kämpften, war die Verunsicherung in der massnahmenkritischen Linken gross. War dies tatsächlich der lang ersehnte ethische Sieg über die Profitinteressen? Viele wurden bald nicht nur in ihrem Selbstverständnis als linksorientierte Menschen von ihrem Umfeld in Frage gestellt, sondern fragten sich, wie es innerhalb der Linken zu solch unterschiedlichen Wahrnehmungen kommen konnte. Einige versuchten sich selbst weiterhin durch eigene Recherchen ein Bild zu machen, was sie meist in ihren Überzeugungen bestärkte. Trotzdem sah man sich plötzlich mit dem Vorwurf konfrontiert, Covidiot:in und Verschwörungstheoretiker:in zu sein, und wurde dadurch faktisch vom rationalen Diskurs ausgeschlossen.
Eine erste natürliche Reaktion äusserte sich in der Kritik an der etablierten Linken, bei manchen in zunehmender Distanzierung. Immer öfter hörte man die Meinung, dass links und rechts nutzlose Etiketten geworden seien, die keine Relevanz mehr besässen. Dies ist zwar aus unserer Sicht ein Fehlschluss, aber angesichts der absurden Umkehrung gewisser Werte während der Pandemie, kam dies nicht ganz überraschend. Konformismus im Handeln, die Einschränkung individueller und politischer Grundrechte, Isolierung, soziale Distanzierung und das stillschweigende Akzeptieren der von Lockdowns zu erwartenden sozialen Schäden, waren plötzlich Ausdruck von Vernunft, Solidarität und Humanität und deshalb links.
Dass gerade rechte Kräfte Widerspruch prominent unterstützten und so eine zunehmende und auch durch mediales Framing massiv unterstützte Vereinnahmung stattfand, wodurch heute Massnahmenkritik meist als politisch rechts wahrgenommen wird, macht die Sache nicht einfacher.
Für linke Massnahmenkritiker:innen besteht die Schwierigkeit deshalb darin, dass jegliche Massnahmenkritik mittlerweile mit dem Vorwurf rechnen muss, rechts und «verschwörungstheoretisch» zu sein. Ein solcher Vorwurf ist aber substanzlos, wenn urlinke Werte verteidigt werden, wenn es um die Wahrung der Menschenrechte, Kritik an der Gleichschaltung der Medien, an der fehlenden wissenschaftlichen Debatte, den Machtstrukturen, Einschränkungen der politischen Rechte, Überwachung und nicht zuletzt um die körperliche Unversehrtheit geht. Besonders aus der Minderheitsposition innerhalb der Linken heraus, ist man genötigt hier zu überzeugen und klarzumachen, warum man gerade aus einer unabhängigen kapitalismuskritischen Perspektive gute Gründe hat, diese Haltung einzunehmen.
Aber was unterscheidet linke von rechter Massnahmenkritik? Diese Frage ist mit Blick auf die Zukunft, auch betreffend die Kritik an den Erweiterungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften und dem Pandemievertrag, zu klären.
Welche inhaltlichen Übereinstimmungen mit rechter Massnahmenkritik gibt es?
Linke wie auch rechte Massnahmenkritik äussert sich kritisch gegenüber dem offiziellen Narrativ, der WHO, der Einschränkung demokratischer Rechte, der Medienberichterstattung, dem weitgehenden Fehlen wissenschaftlicher Grundlagen, der Verhältnismässigkeit und der Wirksamkeit diverser Massnahmen, von der Maske über Lockdowns bis zu den Impfungen.
Warum braucht es eine kapitalismuskritische und linke Massnahmenkritik, und weshalb führt diese zwangsläufig zu einer Ablehnung der angedachten Vereinbarungen zur Pandemiebekämpfung innerhalb der WHO?
Die Gleichschaltung der Medien und die Diffamierung von Kritiker:innen, darunter vieler kurz zuvor noch anerkannter Fachleute, nahm ein Ausmass an, das Anhänger:innen eines offenen Diskurses nur widerstreben kann. Dazu gehörte auch die Weigerung Statistiken, Studien und besorgniserregende Entwicklungen zu diskutieren, die in irgendeiner Weise die offizielle Erzählung in Frage stellten.
Es wurde schnell klar, dass diese vor allem durch die Reaktion auf das Virus herbeigeführte Krise, der Kapitalakkumulation dienen, und zu einer Umverteilung von unten nach oben führen wird. Das Finanzsystem war ohnehin dringend auf neue Investitionsmöglichkeiten angewiesen.
Die abrupte wirtschaftliche Abkühlung, traf die einkommensschwächsten Schichten besonders hart. Am stärksten getroffen wurden jene an der Peripherie des kapitalistischen Systems. Grenzen wurden geschlossen und Migration noch schwieriger und gefährlicher.
Die Massnahmen dienten als Rechtfertigung, die Bewegungsfreiheit einzuschränken, Proteste zu unterbinden und erlaubten die Ausweitung der Überwachung der Bürger:innen, auch in unseren Breitengraden in kurz zuvor undenkbarem Ausmass.
Die Diskreditierung scheinbar vielversprechender alternativer Behandlungsprotokolle und Versuche, der Covid-Erkrankung durch herkömmliche Massnahmen zur Stärkung des Immunsystems vorzubeugen, erreichte eine Verbissenheit, die nicht nachvollziehbar war.
Dies führte zu einer auch medial geförderten Fokussierung auf die einzige angebliche Rettung, die neuen, in Rekordzeit herzustellenden, Impfstoffe, die man sich dann, obwohl unvollständig geprüft, aus Solidarität und ungeachtet des eigenen Risikos, zur Beendigung der Pandemie mehrfach verabreichen lassen sollte. Gleichzeitig war klar, dass dies gigantische Gewinne für die Pharmabranche generieren wird.
Der massive moralische, soziale und wirtschaftliche Druck, mit welchem zu diesem angeblich solidarischen Schritt gedrängt wurde, war unverantwortlich, da bereits früh klar war, dass für junge und gesunde Menschen das Risiko grösser als der Nutzen war.
Das Gesundheitssystem wurde durch neoliberale Strukturreformen der letzten 30 Jahren rationalisiert und teilweise privatisiert. Das Ergebnis der stärkeren Profitorientierung sind vermehrte Engpässe in der Gesundheitsversorgung. Diese waren der Hauptgrund für Überlastungen des Gesundheitssystems während der Pandemie.
Das Kapital hat auch die WHO teilprivatisiert. Ein ganzheitlicher Gesundheitsansatz, der auf gesunde Ernährung, Trinkwasser und die medizinische Grundversorgung fokussiert, wird durch einen potenziell jeden Lebensbereich umfassenden militärischen Biosecurity-Ansatz der Pandemiebekämpfung, im Sinne des von der WHO propagierten «One Health»- Konzepts, pervertiert, der technologische Lösungen wie Impfungen bevorzugt.
Kritik am Pandemievertrag und den Erweiterungen der IGV
Da eine breiten und sachliche Aufarbeitung fehlt, kann aus linker Perspektive kein Abkommen für gut befunden werden, welches dazu tendiert gefährliche Praktiken und Ansätze zu verstärken. Dies gilt sowohl für die Erweiterungen der IGV wie auch den Pandemievertrag. Wegen der immer stärker durch private Akteur:innen direkt und indirekt über öffentlich-private Partnerschaften finanzierten WHO, ist aus kapitalismuskritischer Perspektive zu befürchten, dass das Gewicht der Profitinteressen zunimmt. Angesichts des kriminellen Verhaltens einiger Pharmakonzerne in der Vergangenheit, ist auch nicht auszuschliessen, dass zugunsten des Profits ein gewisser gesundheitlicher Schaden in der Allgemeinbevölkerung in Kauf genommen wird.
Grundsätzlich kann man jedenfalls davon ausgehen, dass die vorgeschlagenen Dokumente vor allem den kapitalstärksten Interessengruppen nützen. Eine Auseinandersetzung mit den bisher vorliegenden Dokumenten bestätigt die Vermutung.
Warum eine klare Abgrenzung von rechter Massnahmenkritik?
Wir sind für Inklusion und bekämpfen fremdenfeindliche, rassistische und undemokratische Gesinnungen. Wenn sogenannt Bürgerliche Kooperationen mit Rechtsextremen eingehen, kann es keine gemeinsame Basis für Protestaktionen geben.
Wir befürworten internationale Zusammenarbeit. Ziel ist nicht die Abschaffung der WHO, sondern eine grundlegende Neustrukturierung! Die WHO muss von den Staaten vollumfänglich finanziert werden. Die demokratische Legitimation und Transparenz müssen radikal verbessert werden. Das der Bioterrorismusabwehr entstammende «One Health»- Konzept ist aufgrund der gemachten Erfahrungen abzulehnen.
Linke Kritik unterscheidet sich grundlegend von Schlussfolgerungen und Lösungsansätzen rechter Massnahmenkritik, sowie der daraus resultierenden gesellschaftspolitischen Visionen.
Rechte Kritik orientiert sich am Neoliberalismus. Sie richtet sich hauptsächlich gegen den Staat. Anstatt die demokratischen Institutionen weiterzuentwickeln, um deren Widerstandfähigkeit gegenüber dem Kapital zu stärken, möchten Neoliberale mehr Freiheit für das Kapital, mehr Privatisierung, mehr Liberalisierung und Deregulierung. Sie fördern damit gerade die Ursachen der Katastrophe, die korrumpierten und dysfunktionalen Strukturen. Gemeint sind die Folgen der Kapitalakkumulation, welche bisher durch extreme Machtungleichgewichte eine wirklich gemeinwohlorientierte Demokratie mit einem dazu notwendigen deliberativen Diskurs verunmöglichten.
Dazu kommt, dass das Kapital Fremdenfeindlichkeit in Teilen der Bevölkerung kapitalismuskritischen Protesten vorzieht. Wenn man Neoliberale völlig enthemmt ihre Ziele verwirklichen lässt, und dies hat die Geschichte des Neoliberalismus in Lateinamerika gezeigt, werden auch faschistische Kräfte zur Niederschlagung einer demokratischen Ordnung genutzt.
Im Fokus unserer Kritik stehen nicht einzelne Persönlichkeiten, sondern die herrschenden ökonomischen Strukturen.
Letztendlich geht es darum die eigentlichen Ursachen zu benennen. Dies ist mit einer linken Teilnahme an rechtsvereinnahmten Protesten unmöglich. Ihre Kritik geht im marktradikalen, nationalistischen und tendenziell fremdenfeindlichen Souveränitätsfuror unter.
Unsere einzige Chance besteht darin, weiterhin klar und unabhängig linke Kritik zu äussern.
Gründe dafür gibt es genug! Wir freuen uns auf weitere Gleichgesinnte, die sich am 27. Mai unserem Protest vor der WHO in Genf anschliessen! Weitere Infos unter Linksbündig (linksbuendig.ch) .
von Christian Baur, Vorstand linksbuendig.ch