Corona-Aufarbeitung statt Panik vor rechts!

Die staatlichen Antworten auf das Auftreten eines neuen Corona-Virus waren nicht evident. Sie sind bei Lichte betrachtet in höchstem Masse erklärungsbedürftig. Eine wirkliche Aufarbeitung müsste sich diesem Umstand stellen. Wer sich nicht aktiv für eine solche einsetzt und sich gleichzeitig über den Rechtsrutsch entsetzt, verspielt seine Glaubwürdigkeit.

von Tove Soiland, Vorstand Linksbündig

Es scheint in Deutschland gegenwärtig zum guten Ton zu gehören, „gegen rechts“ auf die Strasse zu gehen, sich über den Rechtsrutsch in den Europawahlen den Kopf zu zerbrechen und vor den Gewinnen der AfD zu erschaudern. Doch wäre es nicht ebenso wichtig, über eine ganz andere Gefahr nachzudenken: Das merkwürdige Bündnis, das die Linke während der Corona-Krise mit dem Staat eingegangen ist. Dass die parlamentarische Linke schon seit geraumer Zeit zur wichtigsten Schützenhilfe des neoliberalen Umbaus von Staat und Gesellschaft wurde und damit die ideellen Grundlagen jeglicher linken Politik verraten hat, ist bekannt.[1] Neu ist seit Corona jedoch, dass sich in dieses an sich schon bemerkenswerte Bündnis auch die ausserparlamentarische Linke gesellte. Es waren Feministinnen, Autonome, die Antifa und AnarchistInnen, die an vorderster Front für ein hartes Durchregieren des Staates plädierten und die am rigorosesten jegliche Debatte unterbanden. Aus Menschenliebe und zum Schutz der Vulnerablen? Diese Antwort greift zu kurz. Weil die Massnahmen genau dies nicht leisteten und das auch von Anfang an klar war – für diejenigen jedenfalls, die es wissen wollten.

Rollen wir das Ganze nochmals auf: Ein Bericht der WHO von Oktober 2019 zur Pandemievorsorge hält fest, dass Quarantänen sich nicht zur Eindämmung von Viren der Atemwegserkrankungen eignen. Der Bericht rät entsprechend dem damaligen Wissensstand der WHO explizit sowohl von Quarantäne wie von Contact tracing als Mittel zur Eindämmung von Atemwegsviren ab. Dementsprechend existiert auch das Wort Lockdown in diesem Bericht nicht. Bis zum Zeitpunkt, als die WHO im März 2020 weltweit Lockdowns als Antwort auf das Auftreten des neuen Corona-Virus empfahl, lagen diesbezüglich keine neuen Erkenntnisse oder Studien vor, die eine Änderung dieser Haltung hätte begründen können.[2]

Dies ist ein grundlegendes Muster der Antworten auf das Auftreten von SARS-CoV-2. Wie wir heute wissen, wurde das RKI von der Politik unter Druck gesetzt, bestimmte Massnahmen wie die Orientierung an „Inzidenzzahlen“ oder die Rede von der „Pandemie der Ungeimpften“ als wissenschaftlich begründet abzusegnen, obwohl sie wissenschaftlich nicht begründbar war. Dazu wurden, wie der Soziologe Heinz Bude offen zugab, eigens Modelle erfunden, die wissenschaftlich klingen sollten, es aber nicht sind – hier etwa „Flatten the Curve“ –, um in einer „Angstkommunikation“ die Bevölkerung zur „Folgebereitschaft“ zu bewegen. Mit anderen Worten: „Follow the Science“ hatte keinerlei wissenschaftlichen Gehalt. Es handelte es sich gerade nicht um eine Hommage an die Wissenschaft, sondern vielmehr um deren Verrat.[3]

Gehen wir einen Schritt weiter: Alain Berset, dem Schweizer Gesundheitsminister, lagen aufgrund der Informationen seiner Mitarbeiter im Bundesamt für Gesundheit bereits im August 2021 verlässliche Informationen vor, dass die Impfung nicht vor der Weitergabe des Virus schütze. Trotzdem trat er im Herbst vor der entscheidenden Abstimmung zum Covid-19-Gesetz, das die Zertifikatspflicht in der Schweiz legitimieren sollte, an die Öffentlichkeit mit der Aussage, das Zertifikat sei gerechtfertigt, da die Impfung vor der Weitergabe des Virus schütze. Auch dieses Muster wiederholte sich in allen Ländern: Es gab keinen wissenschaftlich legitimierbaren Grund für die Einführung der G-Regeln, weil das Hauptargument dafür: die Impfung schütze andere, wissenschaftlich gesehen unhaltbar ist, womit sowohl der Zertifikatspflicht wie den G-Regeln der wissenschaftliche Boden entzogen war. Man kann dies nicht genug betonen: diese Regeln hatten keinerlei wissenschaftliche Grundlagen.

Heute, wo klar ist, dass die Impfung nicht leistet, was sie verspricht, wird immer noch behauptet, sie schütze wenigstens vor schweren Verläufen. Weder in der Schweiz, noch in Österreich noch in Deutschland werden aber Daten zum Impfstatus von an Covid-19 Verstorbenen erhoben. Auf welcher Grundlage eine solche Aussage gemacht werden kann, bleibt rätselhaft. Das einzige Land, das diese Daten erhebt, England, zeigt ein ganz anderes Bild: Auf Grund dieser Daten scheint es so, dass die Impfung praktisch wirkungslos ist und Geimpfte mit der Zeit sogar ein höheres Risiko haben, an Covid-19 zu sterben als Ungeimpfte. Ebenso scheint sich die Impfung insgesamt negativ auf den allgemeinen Gesundheitszustand auszuwirken.[4] Niemand scheint sich aber für diese Daten zu interessieren. Auch die Medien nicht. Dafür haben wir seit dem Sommer 2022 eine weltweite Übersterblichkeit. Doch anders als im Jahr 2020, wo jede Kritik an den Massnahmen sofort mit dem Hinweis darauf zum Schweigen gebracht wurde, dass doch gerade sehr viele Menschen sterben, scheint angesichts einer sehr viel höheren Übersterblichkeit seit 2022 überhaupt niemand mehr ein Problem damit zu haben. Diese jüngere Übersterblichkeit wird weder thematisiert noch deren Ursache untersucht.

Zweifelsohne ist SARS-CoV-2 ein ernstzunehmendes Virus, das für bestimmte Personengruppen tödlich sein kann. Allerdings ist dies keine Eigenheit von SARS-CoV-2, sondern trifft aber für alle Atemwegsviren zu. Wie die WHO selber festhält, hat SARS-CoV-2 eine Infection fatality rate, die einer mittelschweren bis schweren Grippe entspricht, ein Umstand, der bereits im Sommer 2020 bekannt war. Dieses Mass an Gefährlichkeit von SARS-CoV-2 rechtfertigt in keiner auch nur irgendwie rational zu begründenden Weise das Ausmass der weltweit ergriffenen Massnahmen, wenn diese mit dem Schutz der Bevölkerung begründet werden sollen. Denn umgekehrt lagen zahlreiche Warnungen vor, dass insbesondere im globalen Süden die Folgen der Lockdowns den Schaden durch das Virus bei weitem übersteigen würden. So zeigen Toby Green und Thomas Fazi in ihrem Buch The Covid Consensus. The Global Assault on Democracy and the Poor – A Critique from the Left, wie internationale Entwicklungsorganisationen wie Oxfam, UNDP, die ILO oder UN Global Nations sehr früh davor warnten, dass in Ländern des globalen Südens, wo mehr als 80% der Menschen ihren Lebensunterhalt im informellen Sektor bestreiten, Lockdowns zu einer Zerstörung der Lebensgrundlagen und in der Folge zu Hunger und einer massiven Verschärfung der Armut führen würden. Doch diese Warnungen fanden bei der WHO kein Gehör. Zum einen verschärften die Massnahmen damit die Schere zwischen dem globalen Süden und dem globalen Norden massiv; aber die Antworten auf das Virus bedeuteten auch bei uns in erster Linie eine gravierende Absenkung des Lebensstandards für eine breite Bevölkerungsmehrheit. Der Lebensstandard aber ist eine zentrale Größe für die Volksgesundheit, um die es angeblich gehen sollte…

Wer angesichts dieser skandalös langen Liste von Ungereimtheiten – und sie wäre eigentlich noch viel länger – argumentiert, es handle sich um eine Reihe unglücklicher Zufälle, es gebe hier keine Kohärenz, die Welt sei halt komplex und die Kontingenz darin auszuhalten, muss sich nicht wundern, wenn die Rechte Aufschwung bekommt. Sie interpretiert dann auf ihre Weise – die zugegeben manchmal etwas krude ist –, wie die lange Ansammlung von Ungereimtheiten in einen Kontext zu stellen sind, damit sie wieder Sinn ergeben.

Doch hat die Gesellschaftstheorie uns tatsächlich nichts anderes zu bieten als diese falsche Alternative, mit der wir gegenwärtig erpresst werden: Zufall oder Verschwörung?

Linksbündig sieht seine Aufgabe darin, gesellschaftstheoretische Antworten zu finden, die diese falsch gestellte Alternative zurückweisen. Wir betrachten die staatlichen Antworten auf das Auftreten eines neuen Corona-Virus im Kontext eines globalen Biosecurity-Dispositiv, das militärischer Natur ist. Dabei vertreten wir die These, dass der globale Biosecurity State die Regierungsweise westlich-spätkapitalistischer Gesellschaften darstellt, die in Weiterführung der autoritären Tendenzen des Neoliberalismus diese gleichzeitig in eine gänzlich neue und mit linken Werthaltungen vereinbare Form bringt, die dem Autoritarismus in bisher nie dagewesener Weise zur Akzeptanz verhilft.

Wie dieses Dispositiv auf mehreren Ebenen der gegenwärtigen Krise der Kapitalakkumulation zu Hilfe kommt oder zumindest in eine Passfähigkeit zu deren Krisenbewältigungsstrategie gelangt, wird Thema weiterer Blogbeiträge sein.

[1] Beispiel Gesundheitspolitik: Die Einführung der Fallpauschale wurde trotz massiver Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und der Grundversorgung von der parlamentarischen Linken mitgetragen und bis heute nicht deren Rückgängigmachung gefordert. In der Bildungspolitik trägt die parlamentarische Linke mit der Kompetenzorientierung und der vergleichenden Messungen der Effizienz von Lernleistungen den zunehmendem Leistungsdruck auf die Kinder, die zunehmenden Abstiegsängsten der Eltern und die Erschwerung der Arbeitsbedingungen von Lehrpersonal mit.

[2] Zur wissenschaftlichen Nicht-Fundiertheit von Lockdowns vgl. die sehr kenntnisreiche Zusammenstellung in: Toby Green / Thomas Fazi (2023) The Covid Consensus. The Global Assault on Democracy and the Poor – A Critique form the Left. London: Hurst, S. 55-108.

[3] Ein Verrat in doppelter Hinsicht: Massnahmen wurden als wissenschaftlich begründet dargestellt, obwohl sie das nicht waren und „die Wissenschaft“ als Einheitsmeinung und Wahrheit präsentiert, obwohl dies per se nicht wissenschaftlich ist.

[4] Vgl. hierzu den Beitrag von Christian Baur. Linksbündig würde sich über einen Bevölkerungsstatistiker freuen, der diese Daten professionell interpretieren kann, was uns nicht möglich, aber streng genommen auch nicht unsere Aufgabe ist.

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Weder Verschwörung noch Zufall: Was war die Corona-Krise?

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